Ramona Saphira Mohr - Video und Malerei

Zeitgenössische Künstlerin, lebt und arbeitet in Stuttgart

12: Der Körper kann sprechend werden, denkend, träumend und erfindend. Er spürt die ganze Zeit etwas. Er spürt alles, was körperlich ist. Er spürt die Häute und Steine, Metalle, Kräuter, Wasser und Flammen. Er spürt unablässig.

13: Dennoch ist das, was spürt, die Seele. Und die Seele spürt zuerst den Körper. Sie spürt ihn, der sie enthält und zurückhält, von allen Seiten. Wenn er sie nicht zurückhielte, entwiche sie ganz in dunstigen Worten, die sich am Himmel verlören.

Indizien über den Körper 12 und 13 von Jean-Luc Nancy ¹

 

Verwirklichung und Fiktion als Antagonismen zu denken, liegt Ramona Mohr fern.
Nur durch das Spüren von Häuten und Steinen, Kräutern, Wassern und Flammen – für Metalle hat sie vielleicht noch keine besondere Vorliebe – entwickelt der Körper einen eigenen Weg zur Interpretation von Welt, in der nicht selten alles Greifbare in den übereinandergelegten Folien der Videos entwischt. Und ja, das Puzzle ist mehr als ein Puzzle, es ist eine ganz wunderwolle Fiktion. Es lohnt sich, einzutauchen, sich mitnehmen zu lassen, in ihre Welt. Mit Nancys Worten folgte man so ihrer Seele, die stets darauf drängt, sich in dunstigen Worten am Himmel zu verlieren. Sie verliert sich besonders gern am Himmel Spaniens. Inmitten von Hitze und Dürre und Meer liegt irgendwo der Schlüssel zur Poesie vergraben, mit dem die Künstlerin das scheinbar Ungreifbare verwirklicht. Mit dem Begriff ‚Poesie‘ allein ließe sich ihre Arbeit aber nicht fassen. Vermutlich hörte man bei diesem Wort sogar Kitsch mitschwingen, kennte man ihre Arbeiten nicht. Besonders in der Malerei, die nie ohne Schwarz auskommt, spürt man bei Arbeiten wie ‚Luftig‘, ‚Geborgen im Verborgenen‘ oder ‚Verknüpfte Welt‘ die Auseinandersetzung mit dem Material als Suche in all ihrer Schwere und Ehrlichkeit. Wobei, wie nicht zuletzt aus den Titeln abzulesen ist, ihr Körper auch hier mit dem Willen der Seele ringt, sich auf sie einlässt, ihr Einhalt gebietet. Ebenso entsteht ein ‚Freihauchen‘, in flüssigen, ganz hellen Partien fast ohne Pigment bis hin zu sehr dunklen verschiedensten Schwarzvariationen, Tiefen gleich, stets verbunden durch ihre Handschrift. Erinnert werde ich bei der Erzählsprache auch an Ingeborg Bachmann, die sagte: „Jeder der fällt, hat Flügel“.²
Fallen und gleichzeitig fliegen zu können, scheint nicht mehr paradox, es erscheint mir als das richtige Wortbild, um dem nahe zu kommen, was das Fingierte und das Reale zusammengedacht bei der Arbeit Ramona Mohrs bedeuten können.

Josepha Lutz

¹ Jean-Luc Nancy. Die Ausdehnung der Seele. Diaphanes. Zürich-Berlin: 2017. S.10.

² Ingeborg Bachmann. Das Spiel ist aus. In: Werke Bd. 1. München 1978, S.83.