Ramona Saphira Mohr - Video und Malerei

Zeitgenössische Künstlerin, lebt und arbeitet in Stuttgart

Die Silhouette/ “The waves splashed so hard in my face I forgot where my body was”, (2018)

Die Silhouette ist die Reduzierung eines Körpers auf seine aussagekräftigste optische Wirkung. Sie ist das, was wir an ihm zuerst und zuletzt wahrnehmen. Sie ist der fundamentale Hinweis darauf, dass da etwas IST.

Die Silhouette ist veränderlich: erstens, weil das Objekt sich verändert oder zweitens, weil der Standpunkt des Betrachters sich verändert.

Inwiefern ist die Silhouette, die sich zeigt, ein Ergebnis von innerer Bewegung oder von äußerer Formung?

Sie ist das Alleinstellungsmerkmal in der Masse. Durch sie wird eine Individualität abgegrenzt, geklärt, definiert.

Ich frage mich, ob sie erst in dem Moment entsteht, in dem sie von außen wahrgenommen wird, oder ob es auch eine innere Silhouette gibt, die sich für das eigene Auge abbildet. Wäre das dann eine Silhouette, welche einem Körperempfinden entspricht? Oder eine, die sich an ein Bild anpasst, welches im Inneren besteht, frei von äußeren Einflüssen oder gerade durch sie geformt?

Jedwede Tarnung verhindert kurzzeitig ein Aufspüren.

Das ist eine Arbeit über den Körper und die Wahrnehmung des Körpers. Über den Körper an sich, mit wechselnden Perspektiven. Aus meiner Perspektive. Ich exploriere die Frage, wo die Kontur verläuft, die meine Silhouette bildet, was kräftigt sie und was löst sie auf.

Ist es mir hier möglich, mithilfe von Bildern, eine Körpererfahrung mit einer bestimmten Landschaft, einer bestimmten Naturgegebenheit einzufangen? Kann ich meine eigene Silhouette ertasten, kann ich sie auflösen? Welche Körper kann ich aufleben lassen zwischen abgestorbenen und erblühten Kakteen, behangenen und kargen Agaven, Krabbenkörpern, Fischmasken, schwarzem Stoff und weichem Sand?

In dieser trockensten Gegend Europas, der klassischen Filmlandschaft und Ort meiner vergangenen Sommer.

Im Wasser verdichtet sich der Raum, alles Direkte wird abgelenkt. Eine Brechung wird zum Modus des Seins.[1]

Wird in dieser Brechung ein Freiraum geschaffen für einen neuen Körperzustand?

Wenn der Fisch an deiner Haut knabbert, dann verändert sich vielleicht deine Kontur. Aber du löst dich ja nicht gerade auf wie

Salz scheint darin zu verschwinden, zwar ist die Substanz noch da, doch offenbar in einem anderen Zustand. Die Kräfte des Wassers haben die Kristallstruktur des Salzes quasi zerstört, die Ionen des Kochsalzes sind aber nicht verschwunden.[2]

Wenn ich mich im Meer so fühle, als wäre ich ein Schwamm, vollgesogen, aber mein Körper derselbe ist wie immer, also gar kein Schwamm, ist dann überhaupt etwas mit mir geschehen? Ist das die „Innere Silhouette“?

Ein Körperempfinden formt die innere Kontur, glättet sie, dehnt sie aus, zerreißt sie, verkleinert sie, bis kaum noch Raum vorhanden ist.

Für den äußeren Betrachter ist das nicht sichtbar, da es unterhalb der Haut geschieht, er ist eben nur das: ein Betrachter außerhalb dieses Körpers.

[1] Rebecca Horn – Mondspiegel, Hrsg. Marion Ackermann, Hanz Werner Holzwarth, Kunstmuseum Stuttgart Hatje Clantz, 2005, S. 28

[2] Pipilotti Rist – Dein Speichel ist mein Taucheranzug im Ozean des Schmerzes, Ausstellungskatalog, hrsg. von der Zürcher Kunstgesellschaft / Kunsthaus Zürich, 2016, Silke Meyns, o.S.

 

 

 

 

 

The place there is – the place that cannot be, seit 2018

Im Dazwischen von Pigment und Pixel.

Der Versuch, den fertigen Werkcharakter einer Malerei zu öffnen, sie zu personifizieren, sie umzuwandeln, sie zu gebrauchen, sie in den Körper einzuschreiben oder abzustoßen.

Sie als eine Haut zu begreifen, die sich über Körperschatten legen kann oder als einen Nährboden für filmische Landschaften. Sie als verstaubt abzutun, um ihr weiterhin treu zu bleiben.

Der Versuch, Körper und zweidimensionale Fläche endlich verschmelzen zu lassen. Frage- und Antwortspiel mit dem Unterbewusstsein einer Malerin, die jetzt Videos macht.

Nun nur noch ein Moment auf der Fläche, in der Tiefe, zwischen den Schichten, verhauchend. 

Infernored, Atlantisblue, Diamondblack (2018)

„An artist’s statement (or artist statement) is an artist’s written description of their work. The brief verbal representation is for, and in support of, their own work to give the viewer understanding. As such it aims to inform, connect with an art context, and present the basis for the work; it is, therefore, didactic, descriptive, or reflective in nature.“[1]

Ein Filmisches Artist Statement als Hommage an die Malerei, die Farben, die Kindheit und die Frage, was sie für den Betrachter bedeutet.

[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Artist%27s_statement

Dont close the eye of your tiger (2017)

Im Rahmen des Projektes “Das weiß nur der Dschungel…” für die IFA Galerie in Stuttgart ist eine Performance vor der Kamera entstanden: In vier Stunden in einem geschlossenen Raum war das Ziel, sich der Rolle des Tigers mit all seinen Facetten zu nähern. Dem Erhabenen, dem Mächtigen, dem Aggressiven, dem Mörderischen, dem Sexuellen, dem Gestreiften, dem Schizzophrenen, dem Verletzlichen.
Raues keuchendes Grunzen, das nicht eine Sekunde das Brüllen des Tigers assoziiert, eine Strumpfhose als Schwanz und eine Maske des Karnevals aus Barranquilla sowie projizierte Naturaufnahmen aus Kolumbien und Costa Rica dienen als Hilfestellung für den unmöglichen Versuch im White Cube einen wilden Naturzustand hervorzurufen – sowohl für den Betrachter als auch die Performerin. Das Ablegen der Kleidung und die Absenz von Sprache öffnen im Prozess die Verbindung zu einem inneren, animalischen Raum, in dem der Körper weniger performt als vielmehr reagiert und einfach ist. Nacktheit in Kombination mit den Urwaldprojektionen als Sinnbild der angestrebten Naturverbundenheit symbolisiert hier zugleich eine mal erotische, mal unerotische, spielerische und grotesk-humorvolle Auseinandersetzung mit dem weiblichen Körper als Lustsymbol.
Ein umgekehrter Striptease, eine knurrende junge Frau, im Fühlen bereits mit dem Tiger verbunden, stellenweise auch erinnernd an einen Gruselschocker aus den 70ern, wirkt die Suche nach der Raubkatze eher wie die Sublimierung einer Facette des menschlichen Selbst.

Performing the jungle in a box (Heidi Grandy & Ramona Saphira Mohr), 2017

Die Bluescreen-Technik ist eine Technik aus der digitalen Bildproduktion, die es ermöglicht Gegenstände oder Personen nachträglich vor eine andere Filmaufnahme oder eine Computeranimation zu setzen.
Die jüngste Realfilm-Verfilmung des Dschungelbuchs wurde mithilfe der Bluescreen-Technik gedreht, um zu den Aufnahmen im Studio digital erzeugte Tiere und die Pflanzenwelt hinzuzufügen. Im blauen Dschungelbuch-Filmstudio sieht man den Mogli-Darsteller vorwiegend allein mit vereinzelten Naturobjekten agieren. Personen im Chroma-Blau ersetzen die hinterher animierten Tiere oder dienen als Platzhalter, um u.a. Objekte in Bewegung zu setzen.
Die Videoarbeit thematisiert diese Beziehung zwischen Körper und (Natur-) Objekten. Die Akteure formulieren in ihren Bewegungen Umgangsformen des Präsentierens im Ablegen, platzieren und komponieren. Dinge werden mit dem Körper zum Leben erweckt, ertastet und erkundet.
Das Blau fungiert als Leerstelle, als ungreifbares Alles und Nichts, als Begegnungsraum der virtuellen Konstruktion von Natur, als Zwischenraum in dem der Performer zwischen der Beschaffenheit des eigenen Körpers, dem Tierischen und dem Objekt erforscht.

I can do bruxism all day long (2016)

Der Körper als Muskel, als Gewebe, als Band zwischen dem Innen und dem Äußeren, dehnt sich aus, zieht sich zusammen, hält fest, lässt los, drückt sich aus in dieser unverständlichen Sprache von unbewussten Automatismen, Bewegungen, Spannungen, Schmerzen. Die typische Stressbewältigung der Unerleuchteten.
Diesen Macken einen Raum zu geben, sie wahrzunehmen und umzuwerten, lässt Körperbewegung und Bewusstsein parallel nebeneinander herlaufen und miteinander kommunizieren (wenn es sein muss: All day long), vielleicht sogar bis eine neue gegenseitige Umschreibung entsteht.